Zivilcourage im Netz zeigen

Shownotes

Barbara Costanzo erklärt den Zusammenhang von Respekt und Sprache und zeigt die Wirkmechanismen von Fake News und Hate Speech sowie Methoden von Meinungsmache. Was bedeutet Demokratie und Zivilcourage in der digitalen Welt?

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00: 00:13Dominik: Willkommen zu Culture for Breakfast, eurem HR Podcast der Telekom. Heute soll es um das Thema Respekt und Integrität gehen und die Macht der Sprache. Dafür ist Barbara Costanzo bei mir. Hi Barbara. Das Format heißt Culture for Breakfast, was ist dein Lieblingsaufstrich eigentlich morgens oder frühstückst du gar nichts?

00: 00:32Barbara: Einen Aufstrich habe ich nicht. Bei mir ist es egal um welche Uhrzeit ich aufstehe, es muss auf jeden Fall einen starken Kaffee mit Milch und zwei Süßstoff geben.

00: 00:40Dominik: Oh ja, ohne Süßstoffe wäre ich auch dabei. Vielleicht, um erst einmal anzufangen, du bist Vice President Group Social Engagement bei der Telekom. Was bedeutet das? Was machst du bei der Telekom?

00: 00:56Barbara: Social Engagement ist die gesellschaftliche Verantwortung für den Konzern. Das heißt, dass in meinem Team ganz unterschiedliche Verantwortung für den Konzern Deutsche Telekom übernommen werden. Ich nehme den Punkt raus, über den wir im Folgenden wahrscheinlich am meisten sprechen werden, das Thema Medienkompetenz als eine der Schlüsselkompetenzen in der Zukunft und um nur einen einzigen Satz zu sagen, bevor du mich dann weitere Sachen fragst, bei der Telekom ist natürlich klar, dass wir uns nicht nur verantwortlich fühlen für Produkte und Dienstleistungen die wir verkaufen, sondern auch für den Umgang der Gesellschaft, damit also Vorteile nutzen, aber auch Nachteile kennen. Und dazu kannst du mich jetzt alles Mögliche fragen.

00: 01:30Dominik: Gerade wenn wir über das Thema Respekt sprechen, welche Bedeutung hat da Sprache?

00: 01:37Barbara: Das Thema, dass wir im Moment intensiv bearbeiten, und zwar seit dem letzten Jahr, ist digitale Demokratie und digitale Zivilcourage. Und ich fang es deshalb so rum an, weil wir nicht gestartet sind um zu sagen „Respekt und Sprache, wie hängt das zusammen?“, aber man berührt das natürlich sehr stark. Also Hate Speech und Fake News sind Schwerpunkte die wir sehr intensiv bearbeitet haben. Was bedeutet Meinungsfreiheit? Wie kann man eigentlich respektvoll bzw. konstruktiv miteinander in Dialog treten, obwohl man sich vorher angemeldet hat im Netz? Wie funktioniert das eigentlich? Für mich ist Sprache sowohl ein Mittel, um ein Thema attraktiv zu machen, wie natürlich auch um intensive Meinungsmache zu machen. Ich glaube, dass Sprache fast noch mehr als Ausstrahlung ist, wenn ich Menschen gewinnen will.

00: 02:22Dominik: Das ist ein total interessanter Punkt, weil du hast auch gerade von respektvoller Sprache gesprochen. Und wenn du gerade sagst es ist so ein wichtiges Mittel, kann man respektvolle Sprache denn lernen?

00: 02:34Barbara: Der Überzeugung bin ich und sind wir absolut. Sonst würden viele unser Programme und das, was wir entwickeln, auch gar keinen Sinn machen. Also wenn ich Programme sage, dann meine ich, dass wir für Kinder ab neun bis 99, vielleicht dann wieder Kinder, Dinge entwickeln, um sich auseinanderzusetzen mit Themen aus der digitalen Welt. Wie gesagt, im Moment gerade auch die Verbindung zwischen Medienkompetenz und Demokratiekompetenz, die für uns eine ganz enge ist. Respektvolle Sprache kann man lernen, so wie man alles andere lernen kann, genauso wie wir übrigens auch Zivilcourage lernen können. Bei vielen Dingen denkt man ja so "Entweder bin ich mutig oder nicht. Entweder kann ich so sprechen oder nicht", aber das ist natürlich Quatsch. Sprache verändert sich ja im Laufe des Lebens nicht nur mit der Erfahrung. Es wird auch immer mehr ein Ausdruck, meiner Meinung nach, des eigenen Charakters und das, was im Netz passiert, um da die Schleife zu ziehen, ist insofern ein Problem, dass wir die Salonfähigkeit von bestimmten Themen oder auch einem bestimmten Tenor erleben. Das heißt mit anderen Worten, umso mehr Hasses im Netz, umso normaler wird das auch in der Sprache, umso weniger ist das auch ein Problem, wenn ich dich eine Bitch nennen, obwohl ich eigentlich denke du bist ein ganz guter Typ.

00: 03:37Dominik: Wir haben ja immer diese zwei Welten. Wir haben einmal online, wir haben einmal reale Welt und wir hatten schon mal ein Vorgespräch und da hast du auch gesagt, deine Sprache weicht auch viel von Kollegen vielleicht ab, oder dass du auch teilweise Mal schlucken musst "Oh, jetzt habe ich das Wort benutzt". Denkst du jetzt viel mehr über Sprache nach im Alltag? Und wie würdest du denn deine Sprache beschreiben?

00: 03:58Barbara: Ich glaube, dass Sprache, so wie ich gerade gesagt habe, ein Ausdruck der eigenen Persönlichkeit ist. Und wenn man jetzt jemand wie ich ist, der auch ganz gerne auffällt, das macht jetzt nicht nur mein Job aus, sondern ich habe auch viele Moderationen gemacht, für mich ist es so, ich stehe eigentlich ganz gerne im Mittelpunkt, dann drückt sich das auch in der Sprache aus. Ich versuche auch in der Sprache und das gelingt manchmal positiv, manchmal auch nicht, muss man ehrlich sagen, versuche ich schon auch kraftvoll zu sein, Energie auszustrahlen. Und deshalb glaube ich, dass Sprache schon ein Ausdruck von dem ist, wie man sein möchte. Es verändert sich manchmal und du hast mich gefragt, ob ich mehr darüber nachdenke durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Hate Speech, was wir natürlich eher von der strategischen Meinungsmache her betrachten, aber durch die intensive Auseinandersetzung ist es schon so, dass ich manchmal so denke: "Oh Barbara, der ist jetzt nicht gut, der ist zwar kraftvoll“ und Leute drehen sich um und denken: „was ist das denn für eine?“. Das kann ganz interessant sein. Aber nee, das ist nicht gut. Ja, ich glaube, dass man sensibler wird, wenn man sich intensiver mit dem Thema beschäftigt.

00: 05:00Dominik: Und wenn wir jetzt gerade auf den online Pfad schauen, du hast gerade auch Hate Speech schon angesprochen. Das ist ja im Grunde genommen kein neues Phänomen. Aber es ist gerade sehr in den Fokus gerückt. Seit wann auch für dich? Und wie betrachtest du das Thema?

00: 05:14Barbara: Ich kann nicht genau sagen, wann Hate Speech einen Höhepunkt erreicht hat. Also warum vielleicht schon, aber wann das angestiegen ist. Ich wüsste nicht, wie man den Zeitpunkt jetzt genau markiert. Ich glaube einfach, dass das was passiert ist im Netz schon ein bisschen anders ist als in der analogen Welt. Können wir gleich vielleicht noch ein bisschen intensiver drüber sprechen, was ist eigentlich der Unterschied zwischen diesen beiden Welten? Aber ich bin sicher, dass Hate Speech eine große Rolle spielt und dass das auch nicht meine eigene Filterblase ist. Auch das muss man sich ja immer wieder fragen, wenn man sich mit einem Thema intensiv beschäftigt. Könnte ja auch sein, dass weil ich mich so sehr damit beschäftige, plötzlich nur noch Artikel kommen zum Thema Hate Speech. Aber da helfen mir auch Statistiken die einfach sagen „Ja, es verschiebt sich was, vor allen Dingen im Netz und es gibt auch ein überschwappen in die analoge Welt“. Und genau das ist der Punkt, der einen auch beunruhigen sollte. Das ist nicht ein privates Späßchen, wo ich mal jemanden beschimpfe im Netz, sondern hier geht es um Meinungsmache und hier geht es auch darum, diese Meinungsmache in der analogen Welt fortzusetzen.

00: 06:10Dominik: Genau und ich für meinen Teil habe das Gefühl dieses überschwappen findet jetzt stärker statt. Also wenn ich jetzt einfach mal ein paar Jahre zurückdenke und ich dort ein Hasskommentare gelesen habe, dann habe ich mich bei diesem Gedanken erwischt: "Okay, das ist jetzt jemand, der traut sich im Netz, aber wenn er in der realen Welt vor mir stehen würde ist er, auf gut Deutsch gesagt, ein ziemlich armes Würstchen". Heute haben wir, dass das sich vielmehr organisiert, vielmehr diese Meinung auch im Analogen stattfindet und auch tatsächlich offenkundig präsentiert wird. Will man das denn überhaupt auftrennen? Wo setzt man jetzt an? Im Analogen, im Digitalen? Wo fängt es an? Was ist der größte Paine Point?

00: 06:51Barbara: Ich weiß nicht, ob man das trennen kann. Das kommt ja auf die Art der Perspektive an. Es gibt ja viele Organisationen, mit denen wir zusammenarbeiten, ich nehme zum Beispiel "Gesicht zeigen", die eher in der analogen Welt ansetzenden und sich gegen Antisemitismus und Rassismus stellen und wir, die wir eher von der digitalen Seite her darauf schauen. Ich weiß nicht, ob man das trennen kann, ob man sagen kann, dass eines der Anfang und das andere die Fortsetzung ist. Du kannst natürlich, auch wenn du nicht einen festen Zeitpunkt anvisieren kannst, kannst du natürlich sagen, wann waren so Höhepunkte? Also, wenn man so ab 2014 mit dem Höhepunkt 15/16 schaut, wo viele Menschen nach Deutschland gekommen sind, nach Europa gekommen sind, also ich spreche von Flüchtlingen, das war ja schon ein Höhepunkt der meiner Meinung nach auch sprachlich im Netz etwas verschoben hat und wo auch die Counter Speech Organisationen, die großen wie zum Beispiel "Ich bin hier", gerade erst in der Gründung waren. Also "Ich bin hier", mit denen wir als Deutsche Telekom auch jetzt intensiver zusammenarbeiten, hat ja mittlerweile 45 000 Ehrenamtler, die sogenannten Counter Speech machen im Netz. Solidarität bilden für konstruktiven Dialog. Aber das war zu dem Zeitpunkt 15/16 eher so Eigenengagement würde ich mal sagen. Und deshalb glaube ich, dass einem seitdem vielleicht auch auffällt, dass es deutlich mehr Gruppen gibt. Außerdem muss man auch berücksichtigen, dass mit fortschreitender Zahl, man denkt ja immer man hat schon so einen Deckeneffekt erreicht, aber es stimmt ja in Wirklichkeit nicht, mit fortschreitender Zeit ist natürlich auch so, dass immer mehr Menschen in die sozialen Medien gehen, die sich auch ein bisschen verschieben. Mal ist Facebook bei der einen Gruppe oben, mal ist Instagram bei der anderen Gruppe oben und auch nicht jedes soziale Medium ist da so geeignet, in Anführungsstrichen, beispielsweise für Hate speech. TickTock oder so ist relativ wenig, während dem man jetzt bei YouTube und Facebook trotz alledem eine ganze Menge sieht was unterwegs ist. Also deine Wahrnehmung mag definitiv stimmen, da kann sich was verschoben haben und das kann ganz unterschiedliche Gründe haben und eben auch abhängig von den Zeiten dann Höhepunkte finden. Zum Beispiel im Frühjahr 2020 Corona ist es so, dass Verschwörungstheorien einen ganz neuen Höhepunkt gefunden haben, die ja nicht so weit entfernt sind von Fake News. Da wird jetzt jeder Verschwörungstheoretiker sagen: "Was sagst du da?", aber über dieses Thema an den Grenzen der Meinungsfreiheit gehört Verschwörungstheorie auch mit dazu und letztlich auf jeden Fall die Frage oder keine Frage mehr, dass das einen neuen Höhepunkt hat, obwohl sie immer da warn.

00: 09:11Dominik: Was sind denn die Wirkungsmechanismus dahinter? Ist es, dass man sich einfach organisieren muss, dass diese Meinung quasi aufflammt und sie größer wird? Dass man merkt, „Okay, wenn jetzt wirklich mehr Leute drunter kommentieren, nimmt es so ein Selbstläufer Effekt an, weil sich dann auch wer anders traut, mit auf diesen Zug aufzuspringen?“ oder muss es immer jemand Prominentes sein, der da vielleicht was vertritt, damit dann auch andere mit aufsteigen? Was sind so Wirkmechanismen die ihr so erkannt habt oder mal gesehen habt?

00: 09:38Barbara: Das ist ein ganz klares Jein. Zum einen muss man sagen, das sind natürlich nicht nur Prominente oder Persönlichkeiten deren Namen man schon mal gehört hat oder sowas, die Dinge aufleben lassen. Da muss man sicherlich auch das eine oder andere trennen. Also wenn wir jetzt bei Fake News schauen ist es so, dass das was wir gesehen haben sich aufteilt zwischen Bots und Jedermann. Ich glaube, dass es ein Fehler ist zu sagen "Fake News, das ist ja was für denjenigen, der diese Sprache immer so gelernt hat. Das hat etwas mit Bildungsarmut oder sonst was zu tun", das ist nicht so. Manchmal würden wir uns das wünschen, bestimmte Phänomene einer Gruppe eingrenzen zu können und dann sagen "Die sind das Problem". Da muss man mal klar sagen, wir sind ja schon alle das Problem. Viele Sachen gehen durch die Schichten hindurch und die Sprache ist natürlich auch nur ein Ausdruck der eigenen Haltung. Dementsprechend muss man klar sagen, da gibt’s nicht einzelne Personen. Allerdings, wenn ich von strategischem Hate Speech spreche oder strategischer Meinungsmache, wie gesagt, nicht im privaten Umfeld "Ich finde dich doof", sondern tatsächlich, ich lancieren Fake News, eine bestimmte Aussage, damit ich Meinung spalte, Gesellschaft spalte, dann ist es selbstverständlich umso wichtiger oder umso besser angesehen, wenn derjenige eine öffentliche Person ist. Also es ein riesen Unterschied, ob du jetzt eine Fake News ins Netz stellst und dann folgen dir deine Kumpels oder ob das ein Politiker tut. Zumal man im Netz ja auch als Bürger sag ich mal, nicht mehr unterscheiden kann, ist derjenige jetzt als Privatperson unterwegs oder ist das jetzt aus der Rolle heraus oder spricht er jetzt für seine Partei. Also was ist das denn überhaupt, was da passiert? Und deshalb ein klares Jein. Jeder von uns, aber Wirkungsweise mit deutlich mehr Reichweite. Denn in der Regel mehr Follower und auch mit deutlich mehr Anschein von Seriosität, umso bekannter eine Person ist.

00: 11:23Dominik: Und du hast eben gesagt, dass das sich durch alle Schichten zieht. Wir können nicht eine Problemgruppe ausmachen, wenn man es mal so sagen möchte. Wie können denn jetzt alle User gegen Hate Speech reagieren? Soll man schweigen, sollen alle Counter speaker werden, so wie du sie eben genannt hast? Was würdest du dir wünschen?

00: 11:41Barbara: Ich glaube schon, dass es wichtig ist, seine Stimme zu erheben und bestimmten Dingen Einhalt zu gewähren. Das ist schwer im Netz, schwerer manchmal in der analogen Welt. Ich weiß nicht, ob jeder und immer Counter Speeker werden sollte. Aber was ich mir natürlich wünsche und das ist ja mein Thema, auch beim Arbeiten ist das Thema, Zivilcourage. Also aufstehen, auch nicht immer wissen, was als nächstes passiert. Aber in der Regel ist es ja so, dass man selber nichts zu befürchten hat, dass man in das Auge des Orkans gerät, sondern dass man in der Regel, auch wenn man konstruktiv antwortet, egal auch, wie der andere unterwegs war, es eher darum geht, den anderen schweigenden Mitlesern auch eine Alternative anzubieten. Und dementsprechend bin ich der Meinung, dass man deutlich mehr machen sollte und dass es angefangen von, die wirklich harten Dinger melden, Anzeigen, bis hin zu Position beziehen. Und ich glaube, dass bei den schweigenden Mitlesern auch immer Menschen dabei sind, die es auch anders wissen, die gar nicht mal nur so schreiben müssen "Finde ich doof", sondern die wirklich auch sagen könnten "Nee, da kenne ich die Zahlen, da stimmt was nicht" oder "Hast du den Zusammenhang gesehen?" und da bin ich der festen Überzeugung, dass das Menschen interessiert, dass das auch Mitleser interessiert und dass man nicht davon ausgehen sollte, dass jeder der Hate Speech schreibt ein Wahnsinniger ist und auch nicht jeder, der nichts sagt ein uninteressierter, aber dass manche halt noch schlafen.

00: 13:00Dominik: Und du hast eben auch gesagt die Zivilcourage zeigen, weil man ja nicht immer direkt im Auge des Sturms landet, dann quasi im Fokus ist von Hate Speech. Jetzt haben wir aber ja auch z.B. jemanden, der für ein Spot der Telekom aufgetreten ist, der transgender ist und eben diesen Hate abbekommen hat. Also puren Hass dafür, dass er sich für sein Geschlecht nicht wohl gefühlt hat. Als du die Kampagne gesehen hast, wie kam das für dich an? Das ist ja eben genau dein Thema, was das auch mit einer Person machen kann.

00: 13:28Barbara: Also, wir haben in dem Punkt ja zusammengearbeitet, während mein Team eher die Programme und die Verbindungen zu Organisationen hergestellt hat, ist es so, dass unser Brandbereich den Spot und auch den Jay, wie er heißt, als Protagonisten ausgewählt hat. Also ich habe Gänsehaut gehabt, vor allen Dingen, weil ich jetzt vorher, viele andere die es angesehen haben nachher, nachdem sie vielleicht das Interview mit Jay gesehen haben oder jetzt anschauen können auf der Telekom.com, gedacht haben: "Es wäre schön, wenn das nur geschauspielert wäre. Es wäre schön, wenn das nicht die Wahrheit wäre, dass eine Privatperson, die nichts anderes gemacht hat, als eine Entscheidung über den eigenen Körper und über das eigene Leben zu treffen, so angefeindet wird". Wichtig ist mir in dem Moment, du hast gerade so etwas gesagt, das hat sich ein bisschen so angehört als wäre die Reihenfolge so gewesen: Spot gemacht, dann Hate Speech. Es ist aber umgekehrt. Es ist tatsächlich so, dass sein Leben das begleitet hat, dass seine Entscheidung, nicht in dem Körper von einer Frau leben zu wollen bedingt hat, dass er massiv angefeindet worden ist. Und wenn ich sage massiv, es können sich ja jetzt alle Zuhörer dann auch anschauen auf der Telekom. com den Sport, dann meine ich, dass wirklich Menschen sowas schreiben wie "früher wärst du vergast worden". Und wenn du fragst, was ich da gedacht habe, also ich glaube, ich bin wirklich jemand der wahnsinnig viel Hate Speech schon gelesen hat, weil wir ja selber Workshops entwickelt haben und ich würde sagen, in den letzten Wochen habe ich bestimmt an die 600 Counter Speech Sachen geschrieben, aber es gibt manchmal so Dinge, wo man so denkt "What? Mach, dass das nicht wahr ist" oder "Mach, dass das ein Bot war", denn man kann ja davon ausgehen 30 Prozent der Hate Speech Kommentare im Netz sind von Bots gemacht und da möchte ich in solchen Momenten nicht glauben, dass da ein menschliches Hirn dahinter sitzt.

00: 15:07Dominik: Du hast eben von Bots gesprochen. Jetzt denkt man sich „Okay, da wird jemand mit einem Interesse hinter seine Meinung zu ändern“. Also gerade wenn wir jetzt auch von dieser politischen Meinungsmache sprechen, also dieses negativ konnotierte Wort auch dahinter, wenn wir sagen "Okay, was braucht eine Person um vielleicht in ihrem auch demokratischen Grundverständnis dann irgendwann zu rütteln" und zu sagen "Vielleicht gehe ich ja dann doch eher in eine rechte Richtung, in eine linke Richtung, in was auch immer"?

00: 15:38Barbara: Also Meinungsmache, wir haben sehr viel Literatur dazu gelesen, mit Wissenschaftlern diskutiert und geschaut, was sind gängige Methoden der Meinungsmache und man muss sagen, dass jedes Ding für sich vielleicht nicht so das Problem ist. Also wenn du jetzt sagst, „Was ist das Problem an ein bisschen Fake? Was ist denn das Problem an, keine Ahnung, zwei Bots, die da irgendwie unterwegs sind?". Also zum einen macht es die Masse, definitiv und die Kombination von Dingen. Also wenn du dir vorstellst, auf der einen Seite eine der Methoden ist ja, Sachen immer wieder zu wiederholen. Jetzt könnte man denken, dass ist fürs Gedächtnis, wenn einen Satz immer wieder wiederholt wird. Aber Meinungsmache funktioniert ja anders, das funktioniert subtiler. Also du kriegst aus sehr vielen unterschiedlichen Quellen, vermeintlich seriöse Quellen, bekommst du eine Nachricht, die ähnlich ist und dann fängst du irgendwann an, kombiniert vielleicht mit, die Nachricht ist teilweise auch erfunden, um sie stärker zu machen und klarer zu machen in welche Richtung es gehen soll, hat zusätzlich vielleicht noch Elemente aus Missbrauch der Sprache, also eine Kombination von Dingen, die mit negativen Begriffen in Verbindung gebracht werden, keine Ahnung, Demokratische Werte in Verbindung gebracht mit „Ja, das ist doch nur eine Armee von Menschen, die da folgt“, also anders Framing im Kopf passiert. Und das alles zusammengenommen funktioniert schon gut in der Meinungsmache. Das glaube ich schon, dass das wirkliche Erfolgskonzepte sind und Erfolgskonzepte, die leider diejenigen die manipulieren, besser draufhaben als diejenigen, die sagen "Oh, ich will da ganz viele Alternativen bieten“ und du bist ein mündiger Bürger, dann kannst du ja selber entscheiden, in welche Richtung es geht. Ich wollte noch sagen, politische Meinungsmache heißt ja für mich nicht Politik, sondern eher gesellschaftliche Themen. Themen des Zusammenlebens also, die dann natürlich häufig auch über Politik gespielt werden oder über Gesetzgebung oder Entscheidungen. Wer darf hier rein? Wer darf hier nicht rein? Wer darf hier heiraten? Nicht, dass wir uns missverstehen an dem Punkt. Hier geht‘s nicht nur um Politiker. Ich habe vorhin nur gesagt Menschen des öffentlichen Rechts, sage ich mal, wir haben natürlich eine größere Breitenwirkung und da kann das durchaus problematischer sein, wenn die danebenliegen.

00: 17:42Dominik: Und jetzt sagst du, du liest am Tag 600 Hasskommentare oder schreibst auch 600 Counter Speeches.

00: 17:50Barbara: Nicht am Tag. Nee, also wir müssen auch selber im Netz probieren. Ich meine, wenn ich Leuten sage "Hey, Zivilcourage tut gut", dann muss ich ja wissen, „Stimmt das überhaupt? Wie oft kriegt man denn einen auf den Deckel?“.

00: 17:58Dominik: Auf den Deckel bekommen haben ich…

00: 18:01Barbara: Also ne, umgekehrt im Sinne von, hast du irgendwie was gelesen, wo du sagst, "Nein, das kann ich nicht so stehen lassen, da muss ich was sagen, da möchte ich meine Meinung positionieren". Hast du das gemacht?

00: 18:07Dominik: Das ja, aber nie, ich sage mal, wenn es politisch wurde oder wenn auch teilweise so eine Meinungsmache da stattgefunden hat, da hab ich mich dann immer rausgezogen.

00: 18:16Barbara: Du bist mein Kunde. Ist natürlich oft, dass wir Sachen auch selber ausprobieren, auch verschiedene Strategien ausprobieren, im positiven Sinn Strategien, also einfach zu gucken, was passt zu einem, was funktioniert? Sodass Menschen auch Lust haben, weiter zu diskutieren. Also ganz selten, ganz selten ist mir etwas passiert und ich finde, Zivilcourage im Netz bedeutet auch nicht, dass ich mich in die rechtsextreme Szene einzecken muss und da keine Ahnung was veranstalte und Leute sagen "Hilfe, Hilfe!". In Wirklichkeit passiert das in der analogen Welt, hier in der Kantine und beim Kaffeetrinken und in der digitalen Welt, bei irgendwas, was jemand schreibt. Folgt der Tagesschau und dann kann man sehen, was Menschen dazu schreiben. Und da ist eine breite Gruppe dabei, die Mitleserschafft ist ja eigentlich die, für die du tätig bist. Du musst dir vorstellen, dass die Mitleser ein Interesse an deiner Sache haben, wenn jemand sehr in Emotionen ist und sagt: "Oh mein Gott, der Abschaum, der nach Deutschland kommt", weiß nicht, ob dann dein Ziel sein sollte, seine Meinung zu ändern, wie du vorhin gesagt hast, oder aber eine Alternative anzubieten und zu sagen: "Du, da gibt’s mehr als nur eine Sicht auf die Sache. Und übrigens Menschenrechte sind auch unterschrieben worden, damit sie auch dich schützen in schwierigen Situationen". Dann habe ich schon die Erfahrung, dass manch einer schreibt "Jaja, bist naiv oder so", aber das ist eher selten.

00: 19:38Dominik: Es ist ein interessantes Thema, es ist sichtbar für alle, die im Netz unterwegs sind. Jetzt könnte man ja auch böse sagen, „Was hat das bei der Telekom zu suchen? Ihr sollte doch nur das Netz liefern!“. Warum ist es genau hier auch richtig, dass du und deinen Kollegen sich mit diesen Themen beschäftigen und Sachen ausprobieren und machen?

00: 19:54Barbara: Ich glaube, dass eine Telekom nur das Netz liefert, ich weiß nicht, ob es den Zeitpunkt jemals mal gab. Also ich bin seit 25 Jahren bei der Telekom und auch vor 25 Jahren gab es diesen Punkt nicht, dass wir nur das Netz liefern. Schau mal auf den #dabei, den ja viele kennen, weil wir dazu ja Spots auch draußen hatten. Und das ist ja so wie unser neuer Markenslogan eigentlich geworden, wo ganz viel dahintersteckt. Der sagt ja auch nicht "Du bist dabei, wenn das Netz vor der Tür liegt". Natürlich ist das Netz ein riesiges Thema und dem schulden wir ja auch die Ressourcen, die wir reinstecken. In meinem Team arbeiten wenig Menschen, in der Technik arbeiten sehr viele Menschen, aber das es als Thema wichtig ist, ist unbestritten. Und da sind wir uns auch einig. Wenn wir Diskussionen führen über den #dabei, dass wir sagen "Ja, Netz ist wichtig. Ja, man muss es sich auch leisten können. Man braucht auch Endgeräte, sonst bist du kein Teil von der digitalen Welt. Aber man muss es auch wollen und können". Und das ist der Teil, in dem ich unterwegs bin. Wir haben heute über viele negative Sachen gesprochen, aber wir beschäftigen uns ja auch mit Themen im positiven Sinn oder was ich eigentlich besonders liebe, sind so die Kehrseiten. Wir haben uns auch mit der Frage beschäftigt „digitale Freundschaften, digitale Einsamkeit“ zum Beispiel. Wie kann man eigentlich einsam sein in einem Netz das 24 Stunden läuft? Wie kann ich mich da eigentlich alleine fühlen? Und welche Möglichkeiten gibt es auch für Menschen, die vielleicht nicht leicht andocken können? Was ich damit sagen will ist, für mich ist es nicht trennbar. Netz ist wichtig, Produkte sind wichtig, Dienstleistungen sind wichtig und natürlich sind auch Bereiche wichtig, die die Gesellschaft befähigen und es möglich machen, dass man sich wohlfühlt im Netz.

00: 21:26Dominik: Du hast eben gesagt, du liest viele Kommentare, wo du dir denkst "Bitte lass es jetzt gerade nicht wahr sein". Da würde ich jetzt gerne zum Ende hin fragen, bist du eigentlich noch gerne online?

00: 21:37Barbara: Ich bin super gerne online, weil ich finde, dass Zivilcourage in der analogen und in der digitalen Welt den Effekt hat, dass es gut ist, das Heft in die Hand zu nehmen. Man tut was, man setzt sein Zeichen und ich antworte natürlich nicht auf alles. Es gibt Themen, die sind nicht meine, da steige ich auch nicht ein. Z.B. das Thema Flüchtlinge, da kenn ich mir einfach wahnsinnig gut aus, hab da auch viele Zahlen und Hintergründe im Kopf und ich schreibe auch über meine private Situation, weil ich oft im Flüchtlingscamp im privaten Umfeld gearbeitet habe und erfahre da auch, dass Leute oft dann auch anspringen und sagen: "Hast du in Moria gearbeitet? Dann erzähl doch mal was dazu". Also, das ist längst nicht so, dass man auf Hass immer Hass zurückbekommt oder auch, dass große Nirwana gar nichts zurückbekommt, sondern es schon so, dass Leute auch einsteigen. Und das gibt einem dann ein gutes Gefühl. Das oft eher das Gegenteil passiert, dass du nicht selber in den Shitstorm gerätst, sondern dass eher Leute sagen: "Wie, echt? Das ist doch jetzt nicht wahr, dass du da wirklich warst?". Viele Menschen können sich das gar nicht vorstellen, wie bestimmte Situationen sind. Und wenn man sich gut auskennt in einem Thema und das auch emotional berührt. da finde ich, ist man auch gerne online. Aber manchmal bin ich auch müde, also wirklich müde, und denk so: "Oh mein Gott, zum 295. Mal muss ich den Satz beantworten. Abschaum kommt." Und dann es auch so, dass ich das nutze, was man in der digitalen Welt machen kann, abschalten.

00: 23:02Dominik: Das ist ein tolles Schlusswort. Aber eben nochmal dein Appell dahinter, Zivilcourage auch im Netz zu zeigen und eben nicht nur alles negativ zu betrachten. Aber das ist eben ein großes Problem ist. Und wo man seine Stimme auch benutzen kann, um das auch umzudrehen. Danke Barbara, dass du dir die Zeit genommen hast.

00: 23:18Barbara: Danke, dass ihr Interesse hattet.